„Knochenarbeit steht uns bevor!“
FSG vida-Vorsitzende Günter Blumthaler erklärt im Gespräch mit FSG vida Bewegt, warum die Sozialdemokratie ihre Werte in die neue Zeit übersetzen muss.
FSG vida Bewegt: Günter, wann hast du deinen Weg Richtung Gewerkschaft und FSG eingeschlagen?
Günter Blumthaler: Aktiv für die FSG wurde ich schon als ich bei den ÖBB zu arbeiten begonnen habe. Dort wurde ich später auch FSG-Betriebsrat. Als Kind der späten 60er-Jahre haben ich und meine zwei Geschwister schon mitbekommen, dass es uns zu Hause stetig besser gegangen ist. Damals stellte eine Partei namens SPÖ den Bundeskanzler. Diese Partei machte neue Politik. Meine Eltern konnten sich in den 70er-Jahren auf einmal einen Urlaub leisten. Mehr Bildung war möglich, weil sie nicht mehr nur für Reiche erschwinglich war. Die Sozialversicherung entwickelte sich weiter. Wenn du krank warst, war die Unterstützung auch da, auch wenn du nicht viel Geld hattest. Geprägt hat mich damals auch die Kinderfreunde-Gruppe in meinem Heimatort. Da haben Jung und Alt noch wunderbar miteinander harmoniert. Diese Solidarität fehlt mir in letzter Zeit. Jetzt gibt es wieder mehr Differenzen zwischen den Jungen und den Älteren. Die Politik hat schon allzu oft in den letzten Jahren einen Keil zwischen die Generationen getrieben. Wir müssen uns auch fragen, warum uns dazu nicht mehr Antworten eingefallen sind.
Wie kann man diese Solidarität wieder stärken?
Es ist in den Betrieben zu spüren, da gibt es Ältere, die noch bessere Bedingungen haben, neben Jüngeren, denen schon viel gestrichen wurde und die weniger verdienen. So etwas dürfen wir uns nicht mehr gefallen lassen. Wenn Regierungen Verschlechterungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umsetzen wollen, dann müssen wir da stärker dagegenhalten, die Betroffenen zu einer „Gegenmacht“ organisieren. Alles andere würde nur den Zusammenhalt der Beschäftigten immer weiter schwächen. Wir müssen daher wieder eine Stärke als Sozialdemokratie insgesamt erlangen, sodass niemand an uns vorbeikann.
Wie kann das funktionieren?
Die FSG vida ist die stärkste politische Kraft im ÖGB und in der vida. Die Herausforderung dabei ist, dies in Zukunft besser zu nutzen. Wir brauchen auch in den Bundesländern und Regionen eine stärkere Vernetzung zwischen Gewerkschaft und Betriebsrätinnen und Betriebsräten für unsere gemeinsame Sache. Die konservativen und rechten politischen Kräfte sorgen mit Sozialabbau und sogenannter Reformpolitik schließlich immer wieder dafür, dass uns die politische und gewerkschaftliche Arbeit nicht ausgeht. Nebenbei streuen sie den Menschen Sand in die Augen und verstehen es, von den eigentlichen Problemen abzulenken. Da werden wir dagegenhalten!
Gibt es dafür schon ein Programm?
Das Bild, das momentan in der Öffentlichkeit über die Sozialdemokratie herrscht, dazu bietet sich der Vergleich mit einem Orchester an. Es gibt eine Dirigentin und viele Solisten und das Konzertprogramm ist noch nicht fertig. Streiten aber Dirigentin und Solisten zu lange über das Programm, kommt ihnen das Orchester abhanden und das Konzert fällt aus. Deshalb gilt es, schnell einen gemeinsamen Kompromiss über das Programm zu finden, sodass es das Publikum verzaubern kann. Der Lohn dafür wird zur Freude aller großer Applaus des Publikums sein. Anders gesagt, Diskussionen und verschieden Meinungen sind notwendig, aber man muss zeitig Leistungen hervorzubringen, die begeistern und überzeugen. So läuft’s im Leben!
SPÖ-Wahlerfolge im Bund und in den Ländern sind in den letzten Jahren ausgeblieben.
Zuerst einmal, die FSG – obwohl sie sich natürlich zu den sozialdemokratischen Grundwerten bekennt – ist nicht gleichzusetzen mit der SPÖ. Bei der AK-Wahl 2019 konnte die FSG mit Zugewinnen ihre bundesweite absolute Mehrheit auf über 60 Prozent ausbauen. Aber was für die Sozialdemokratie in Zukunft gelten muss, gilt auch für uns sozialdemokratische Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter: Wir müssen alte Werte auf ihre heutige Tauglichkeit prüfen und sie auch dann dementsprechend leben. Wir müssen den Menschen die sozialdemokratischen Werte und Grundgedanken verständlicher vermitteln, damit sie sich damit identifizieren können.
Wie stellst du dir das konkret vor?
Es geht dabei um Glaubwürdigkeit. Denn sozialdemokratische Themen wie planbare Freizeit, Wertschätzung des Familienlebens, leistbares Wohnen, gerechte Entlohnung und regelmäßige Lohnerhöhungen oder ein soziales Auffangnetz für Menschen, denen es gerade nicht so gut geht, ob aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie ihren Arbeitsplatz verloren haben, das sind Themen, die jeden betreffen oder einmal betreffen können. Einer alleine kann die Welt nicht verändern. Gemeinsam können wir sie aber ein großes Stück besser machen, indem wir füreinander da sind. Dafür brauchen wir auch Botschafterinnen und Botschafter unserer Gesinnung, die lernen dürfen zu überzeugen – nicht aus Gehorsam heraus, sondern aus innerster gegenseitiger Wertschätzung.
Warum bist du überzeugt, dass es so funktionieren kann?
Wir sind die Einzigen, die wirklich auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schauen. Das müssen wir den Menschen vermitteln. Wir wollen, dass alle ein gutes Leben haben, dass niemand in keiner Lebenslage, auf sich alleine gestellt ist. Egal ob es die Ausbildung, die Arbeit, die Gesundheit oder die Pensionen betrifft. Wir müssen unsere Werte in die neue Zeit übersetzen. Denn sie sind gefragter denn je, alleine schon, wenn man an die zunehmende prekäre Beschäftigung mit immer weniger sozialen Rechten und schlechter Bezahlung denkt. Wir dürfen nicht vor Konzernen in die Knie gehen. Schließlich sind wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Mehrheit. Aber da kommt noch viel beinharte Knochenarbeit auf uns zu. Ohne diese kann es kein taugliches und erfolgreiches Zukunftsprogramm für die Sozialdemokratie geben.
Zur Person:
Günter Blumthaler wurde am 6. September 1968 in Mittersill (Salzburg) geboren und ist gelernter ÖBB-Maschinenschlosser. Zuletzt arbeitetet er in der Kraftwerksgruppe Stubachtal der ÖBB Infra AG. Seine gewerkschaftliche Laufbahn startete er im Jahr 1986 als Bundesjugendvorsitzender der Gewerkschaft der Eisenbahner. Zum Zentralbetriebsratsvorsitzenden der ÖBB-Infra AG wurde der Gewerkschafter im Oktober 2015 gewählt. Seit März 2018 ist er auch Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der Gewerkschaft vida. Günter Blumthaler ist verheiratet und Vater von drei Kindern.